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Impulsiv Kulturbühne - Textfenster

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Von Lückenbüssern und DSDS- Feeling im Taschenformat...


(Kaufmännischer Verband Bern, Bericht zum Event: IMPULSIV Kulturbühne)


Wieder ist ein Jahr vergangen und der KV Bern lädt zur neuen Auflage seiner IMPULSIV- Kulturbühne im Theater am Käfigturm. Angesagt sind heute Jesse Ritch und im Vorprogramm Red Shoes, das verspricht doch lokalen Kreischalarm, Rock’n Roll und DSDS Atmosphäre. Also schnell die engen Jeans und das schicke Lederjäckchen  aus dem Schrank geholt und los geht’s.


Doch statt Menschentraube und Ohnmachtsopfer gibt’s gesittetes Platz nehmen in den lichten Sitzreihen. Bin ich hier wirklich richtig? Ich bin’s und nehme, meine Teenagertochter im Schlepptau, die 3. Reihe in Beschlag. Der Moderator scheint leicht irritiert ob dem flauen Publikumsaufmarsch und muss erst mal tapfer verkünden, dass Red Shoes den Blues haben, weil ihr Sänger erkrankt ist. Schade, Rock‘ n Roll fällt damit weg. Sei’s drum, Ersatz scheint gefunden und meine Jeans sitzen trotzdem gut. Also, Bühne frei für Me, Valentin &… WHO?

Egal, da schlurft einer über die Bühne mit seiner Gitarre unter dem Arm. Ein bärtiger Bär der mit Wollkäppi und schwarzer Denkerbrille aussieht, als hätte er noch vor fünf Minuten in einer alternativen Szene-Bar seinen Holunderblütensirup geschlürft. Setzt sich auf einem Barhocker, kein Wort, keine Begrüssung und legt gleich los. Aber wie, der Mann lafert nicht, der liefert, vom ersten Ton an. Glasklare Klänge aus seiner Gitarre, dann singt er, mit einer Stimme die zur Optik passen will, wie ein Eisbär in die Sahara. Sechs Saiten, eine Stimme, echt, pur, schnörkellos, mehr braucht ein Valentin nicht, wow! Seine melancholischen Lieder nehmen mich gefangen, kein Wunder ich bin ja im Käfig(turm). Seine Präsenz legt mich in Ketten, fesselt mich sanft und ich geniesse den musikalischen Prison-Stay. Ich schliesse die Augen und höre eine Mischung aus James Blunt, Donovan und Cat Stevens, britische Dreifaltigkeit in Personalunion und doch mit eigener Persönlichkeit. Schliesslich spricht er doch noch ein paar Takte, kurz und trocken, wie ein übriggebliebener Nussgipfel in der Bäckereiauslage. Kein Problem, der Kerl will schliesslich singen und nicht schnattern, Lacher und Sympathie gibt’s alleweil. Beliefe my words, I do und ich sehe vor mir wie sich Pärchen aneinander schmiegen und Hände die im Dunkeln Hände suchen. Sogar meine, zu Beginn leicht unterbegeisterte Tochter, gibt mir einen Kuss auf die Wange, freiwillig wohlgemerkt. Die Zeit vergeht viel zu schnell und so wie Valentin die Bühne betreten hat, verlässt er sie auch wieder, bye Folks! War das nun ein Lückenfüller? Laut Programmheft ja. Nur, wer eine Lücke so zu füllen vermag, hinterlässt schon die Nächste bei seinem Abgang. Me, Valentin & YOU, danke, ich hab’s begriffen…

Pause, Szenenwechsel, jetzt geht’s los. Es sind noch einige Gäste hinzu gekommen und die erste Reihe ist gefüllt mit jungen Mädchen, wie sich das für einen Jesse Ritch schliesslich gehört. Erste Klänge aus den Lautsprechern und dann stürmt ER auf die Bühne, unser Berner Giel, der so Unglaubliches geschafft hat vor einem Jahr. Es muss hier nochmal erwähnt werden, der Junge hat bei DSDS den tollen dritten Rang erreicht, einfach unglaublich und hochverdient! Wer nun mäkelt, Jesse sei doch nur ein weiteres Produkt einer hochgepuschten Castingmaschinerie, mag im Grundsatz recht haben, qualitativ betrachtet liegt er mit seiner Meinung definitiv falsch. Da steht ein 21 jähriger junger Mensch auf der Bühne, der seinen Traum lebt, vermutlich im Dauerflash des neulich Erlebten. Einer der das das Geschenk seiner Stimme angenommen hat und das macht, was er kann und auch will: singen! Und das tut er gut, seine Stimme ist wirklich aussergewöhnlich, mal sanft dann wieder wild und unbändig. Dazu sieht er einfach blendend aus, ich erkenne beinahe den jungen Harry Belafonte gemischt mit der Mimik des „Grössten", Muhammad Ali. Jesse singt nicht nur, er tanzt, er entertaint, was für ein abgebrühtes Kerlchen, kein Wunder nach Dieters Schule. Die ersten Mädels kreischen, es wird geklatscht, gestampft, Jesseee-Rufe werden laut. Okay leicht dezenter als ich es vom Fernsehen kenne aber immerhin, die Stimmung ist ansteckend. Und hey, dafür sind wir doch hergekommen, um uns alle ein bisschen wie Superstars zu fühlen...

Jesse heizt ein, er schwitzt, er hüpft und wenn er uns mit seinen Anekdötchen unterhält wirkt er noch sympathischer. Wie wohltuend, mal einer der nicht nur „Switzerland is beautyfull" stammeln kann, er ist eben hier daheim, einer von uns und das merkt man, gäll? Herrlich auch die Band, der Manager am Keyboard, der Schlagzeuger im Element und der Bassist leicht hüftsteif. Aber den Vogel schiesst der Gitarrist ab, da verzieht sich selbst Rumpelstilzchen verschämt in die Ecke. Hat man Angus Young von AC/DC geklont oder sind Status Quo aus der Winterstarre erwacht? Der Mann ist ja der Hammer, wie der abgeht. Ein besonderer Moment als sich Jesse auf einem Barhocker ins Publikum setzt und eine Ballade singt. Jetzt hat er mir in die Augen geschaut und wenn ich zu seinem echten Zielpublikum gehören würde, hätte ich vermutlich kurz gekreischt. Stattdessen lächle ich ihn an und nicke zustimmend, Respektbekundung im Generationenwandel, aber ein wenig hat’s mich durchzuckt… Back on Stage, das Publikum ist jetzt endgültig erwacht, fast alle stehen, tanzen und klatschen mit, wer will denn noch sitzen bei der Stimmung. Ach ja, wer bereit ist, trotz einer Zuhörerzahl die einer durchschnittlichen Hochzeitsgesellschaft entspricht, alles zu geben, handelt professionell und hat sich zumindest eine gute Stimmung verdient! Auch dieses Konzert neigt sich dem Ende zu, die Songs sind gespielt und das Schweisstüchlein hat irgendwann sein Fassungsvermögen erreicht. Abgang, Zugabe und Verneigung, genau so muss es sein, alles ist gut…  

Der KV-Bern hat seine diesjährige IMPULSIV – Kulturbühne reich gedeckt, sich was einfallen lassen und viel Engagement gezeigt. Keine Ahnung woran es liegt, dass sich nicht mehr seiner Mitglieder haben beschenken lassen. Wie auch immer, wer dabei war hat einen tollen Abend verbracht und sein Kommen sicher nicht bereut. Danke Valentin, danke Jesse, you Guy’s have made us rich tonight…

 
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