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KV-Impulstagung 2014
oder der etwas andere Fitnesscheck


(Kaufmännischer Verband Bern, KV-Impulstagung, Gottlieb Duttweiler Institut, Rüschlikon)

„Sind wir fit für die Berufsbildung von morgen?" Das war einerseits die Frage und andererseits das Motto der, mittlerweile traditionellen, KV-Impulstagung im ehrwürdigen GDI zu Rüschlikon. Nun, immerhin waren 180 Teilnehmer/innen fit genug sich einzufinden, um dem Kommenden zu lauschen, Respekt.

Nach einem leckeren Willkomens-Zmorge begrüssten Rolf Butz und Ruedi Flückiger die heterogene Gästeschar im gut gefüllten Saal. Danach übergaben sie die Moderation an Mona Vetsch, die uns kompetent, frisch und unaufdringlich durch den Tag begleitete. Die kam dann auch direkt auf mich zu, um mich nach meinem ausbildnerischen Fitnessgrad zu befragen. Während ich irgendwas ins Mikrofon stammelte, versank ich in ihren blauen Augen und hätte lieber zurückgefragt, liebe Mona, wie schaffen Sie es bloss, immer noch schöner zu werden?

Egal, Mikro weg, Mona weg und Josef Widmer betrat als erster Referent den Stage. Eine geballte Ladung an Kompetenz schwappte uns entgegen, Folien und Statistiken die den Ist- und den Kommenden Zustand aufzeigten. Starker Fokus auf die 26 bis 54 Jährigen, auch das akute Schreckgespenst Jugendarbeitslosigkeit wurde angesprochen. Aber richtig durchzuckte es mich bei Folie 10, die den Demografischen Wandel der nächsten 20 Jahre aufzeigte. Darüber habe ich vor einem Jahr im Blog des KV Bern im Beitrag „2023 - die arbeiten wollen" referiert. Wie sich doch Kreise schliessen und mein erstes Fazit lautete: Bildung lohnt sich!

Jugend forsch(t) hiess es bei Philipp Riederle, dem mit Spannung erwarteten Jungspund aus dem grossen Kanton. Wer jetzt, wie ich, einen grünschnäbeligen Plapperi erwartete, sah sich schnell getäuscht und eines Besseren belehrt. Gekonnt und ohne Besserwisserei plauderte er aus dem Nähkästchen der Digital Natives, gestützt mit Erkenntnissen aus der etablierten Forschung. Gutes Konzept, es ging auf und die Message lautete quer durch die Schichten: Du bist nicht was du isst, sondern vielmehr, was du aus dir machst. Es ist einer der Momente in denen man, im etwas gestandeneren Alter, gerne neidisch wäre und es doch nicht sein kann und stattdessen zu gönnen beginnt. Auch eine Erfahrung die (Un)Gnade der frühen, analogen Geburt nicht allzu verbissen zu sehen; Life goes on…

Nun betrat der Kaiser die Bühne. Ok, zwar nicht Sissi‘s Franz, eine kurze Geschichtsstunde gab‘s trotzdem und wir erfuhren: Keiner zu klein ein Fuggerle zu sein. Nach viel Analyse und Vergleich zum deutschen Kaufmanntum stand die Erkenntnis, dass der Meccano zwar der Gleiche geblieben ist, aber die Komplexität der Kaufmannswelt seit Erfindung der Bilanz, drastisch zugenommen hat. Spezialisierung contra Allgemeinem Praktizieren, das kennen wir doch aus der Medizin und das brachte auch Wehwechen hervor, von denen wir nicht mal wussten, dass es sie gibt. Sei’s drum, interessant war’s allemal und der leere Magen meldete dem gefüllten Hirn, dass er allmählich Hunger habe.

Im Steilflug ging‘s zum „Flying Buffet" und wir wurden verwöhnt, wie Gott in Frankreich. Das Personal wuselte ohne Unterlass und bombardierte uns mit immer neuen, kleinen, köstlichen Häppchen. Kaufmännisch betrachtet wuchs die Einsicht, warum eigentlich immer diese XL Hörigkeit, wo doch all die kleinen Portiönchen zu viel mehr Konsumation führten, als es tatsächlich Platz im Magen gab? Lecker war’s und ich versenkte meine Business-Strategie mit einem letzten Schokotellerchen ins Reich der Bedeutungslosigkeit.

Auf zum zweiten Tagesteil in welchem uns zu Beginn Graziella Contratto auf ihre Reise in die Welt der klassischen Musik entführte. Selber klassischer Gitarrist lauschte ich Emmanuel Rossfelders Klängen und vermochte sein virtuoses Können einzuschätzen. Interessant auch die anderen, dem breiten Publikum wohl unbekannten Interpreten, abgesehen von Brahms und Mozart. Young Talents, sowie deren Entdeckung und Förderung, mag in der Welt der bildenden Künste essentiell sein. Auch in Sport oder Mathematik ist das nachvollziehbar, aber wie stellen wir das bloss als Ausbildner/innen von KV Stiften an? Suchen wir Excel Virtuosen, Word Poeten oder Switzerlands next MS-Office Model? Und wenn ja, schicken wir diese dann in die KV Akademie für Hochbegabte? Oder haben wir einfach nur die Aufgabe, die nächste Generation an Kaufmännischen Lehrlingen nach geltenden Massstäben auszubilden und für das Berufsleben fit zu machen? Schwieriger Brückenschlag, dennoch kann es nicht schaden, sich die eigenen Lehrlinge genauer anzuschauen und ihnen zu helfen, sich ihrer beruflichen Stärken und Schwächen bewusst zu werden und den berühmten Hebel da anzusetzen.

Als letzter Referent schickte sich Niklaus Brantschen an, uns einen weiteren Impuls zu geben. Wenn das ein Jesuit machen will, stellt man sich prophylaktisch darauf ein, klein zu werden. Aber nichts davon traf ein, im Gegenteil, Pater Brantschen machte uns alle gross. Er liess Michelangelos David in uns erwachen, bildlich den Ballast abwerfen der unser Gesamtbild zu verdecken vermag. Wärme und Weisheit füllte den Raum und um das zu verstehen, es anzunehmen, musste sich niemand unzulänglich fühlen. Tugend als Gebieter über die Moral, Machendes statt Gepredigtes. Die vier Kardinalstugenden, ein wahrer, sanfter Impuls. Ich dachte an meine beiden Teenagerkinder, die bestimmt auch keinen leichten Einstieg ins Erwachsen werden haben, andere vielleicht an ihre Lehrlinge. Was mehr kann ich ihnen geben als die Erfahrung von Gerechtigkeit, mein Quäntchen Klugheit, ein wenig Tapferkeit für ihren Weg und das Wissen um die Kunst des Masshaltens? Das Referat ging unter die Haut, die Zeit floss dahin und wie erbat doch schon der grosse Goethe: „Augenblick verweile doch…" Er tat es nicht und zum Abschluss enterte Steff la Cheffe die Bühne. Das Berner Powerbündel bewies, dass sie auch ein Publikum mitreissen kann, das nicht unbedingt ihrer Zielgruppe entspricht.

Ein spannender, gelungener Tag neigte sich dem Ende zu. Es fehlte nicht an Impulsen, wir wurden vom Kaufmännischen Verband mit Wissenswertem, Interessantem, Kulinarischem, Musikalischem und sogar Spirituellem versorgt. Prädikat Lohnenswert und es blieb eigentlich nur noch die Frage offen: Sind wir nun fit für die Berufsbildung von morgen? Die Antwort kam, wenn auch nicht von einem der hochkarätigen Referenten, sondern von der Chefin persönlich. In meinem Fall lautete sie schlicht und ergreifend: „Ha Ke Ahnig...!"

 
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